Mitten ins Herz Frankreichs in die Auvergne führte Anfang Juni die diesjährige Bürgerfahrt zur Tölzer Partnerstadt Vichy. Und immer wieder stellen Bayern und Franzosen fest: Die Freundschaft wächst, doch sie muss auch gepflegt werden.
Bad Tölz – Raue Schale, weicher Kern: Den Auvergnaten wird eine ähnliche Mentalität wie den Bajuwaren nachgesagt. Weniger vor den Bewohnern als vor der Landschaft warnte bereits im Jahr 470 Sidoine Apollinaire alle Reisenden. Der Bischof der Stadt Clermont behauptete von der Auvergne: „Dieses Land ist so schön, dass die Fremden selbst den Namen ihrer Heimat vergessen.“
Davon konnten sich die rund 50 Teilnehmer der Bürgerfahrt überzeugen, die der Verein zur Förderung der Städtepartnerschaft nun zum zweiten Mal veranstaltet hat. Der Verein wurde 2004 gegründet und von der Stadt Bad Tölz mit der Pflege der beiden Städtepartnerschaften Vichy und San Giuliano Terme betraut. Neben Aktivitäten wie dem Kulturaustausch sind regelmäßige Besuche in Frankreich und Italien vorgesehen. „Das ist kein Urlaub, sondern eine Studienreise. Deshalb engagieren wir uns auch finanziell“, erklärt Martin Englert, Vorsitzender des Vereins und Beauftragter des Tölzer Stadtrats für Kultur und Städtepartnerschaften. „Ziel ist das gegenseitige Kennenlernen. Wir wollen die städtepartnerschaftlichen Beziehungen vertiefen und ein bisschen mehr die Landessprachen lernen.“
Durch einen Crash-Kurs in Französisch und eine Informationsveranstaltung war die Tölzer Delegation bestens vorbereitet. Als Mitglieder des Stadtrats reisten neben Englert auch Hilde Fruth und Karl Drexl in die rund tausend Kilometer entfernte Partnerstadt. Ebenfalls mit von der Partie waren aktive Plattler und Volksmusikanten: die Jugendgruppe des „Trachtenverein Edelweiß“ und die „Melkstattmusi“.
Vichy hat insgesamt fünf Partnerstädte. Am intensivsten pflegen die Franzosen die Verbindung mit Bad Tölz. Seit 1966 hat sich im persönlichen, kulturellen, schulischen und sportlichen Bereich ein reger Austausch entwickelt. Nach einem zwischenzeitlichen Durchhänger ist er in den letzten Jahren wieder sehr lebendig geworden.
In Vichy, einst dem bedeutendsten Nobelkurort Frankreichs, sprudeln von den ursprünglich zwölf berühmten Heilquellen noch sechs im Kurbetrieb. Die bekannteste Quelle ist Les Célestins. Nach einem Probeglas meinte ein Tölzer mit verzogenem Gesicht: „Wenn´s nach dem Wasser geht, schmeckt die Gesundheit etwas bitter.“ Vichy hatte seine Blütezeit in der Belle Epoque des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Erst seit einigen Jahren investiert die Stadt verstärkt in die Infrastruktur. An vielen Stellen wird eine Aufbruchstimmung spürbar.
Für die Tölzer ist Vichy ohne ein Zusammentreffen mit Stadtrat Bernard Kajdan undenkbar. Der Kommunalpolitiker hat in Heidelberg Germanistik studiert und engagiert sich seit Jahrzehnten in der Verbindung zwischen Frankreich und Deutschland. Der Träger der Silbernen Bürgermedaille von Bad Tölz führte die Delegation durch das Zentrum seiner Heimatstadt und vertrat auf dem offiziellen Empfang den Bürgermeister Dr. Claude Malhuret. „Wir denken gerne an die eindrucksvolle Jubiläumsfeier zum 40jährigen Bestehen unserer Partnerschaft zurück“, so Kajdan in seiner Begrüßungsrede. „Viele neue persönliche Kontakte sind dabei hergestellt und bestehende Freundschaften aufgefrischt worden. Lassen Sie uns daran anknüpfen!“
Politischer sah es der Delegationsleiter Martin Englert: „Unsere Städtepartnerschaft mit Vichy ist auch im 41. Jahr eine große Verpflichtung. Die Vergangenheit darf sich nicht wiederholen. Wir wollen Brücken wieder aufbauen, die Andere vor uns mutwillig zerstört haben.“
Das umfangreiche Programm führte die Tölzer zu einer Weinprobe im benachbarten Saint-Pourçain und ins Lokal des Brauchtumsvereins „Vichy et ses Sources“. Die Folkloregruppe unter Leitung von Alain Ugonet war mit ihren Trachten und ihrer Musik aus Drehleier und Dudelsack letztes Jahr im Isarwinkel zu Gast.
Für viele unbekannt war die Messerstadt Thiers, in der seit über 500 Jahren die besten Schneidwerkzeuge Frankreichs hergestellt werden. Die dafür notwendige Wasserkraft gewinnt der an steilen Berghängen liegende Ort mit seinen seltenen Fachwerkhäusern über 140 Stauwehre.
In Clermont-Ferrand, der größten Stadt der Auvergne, wurde der mächtige Bau der Kathedrale aus dem 13. Jahrhundert ins Visier genommen. Sie ist Frankreichs einzige gotische Kathedrale aus Lavagestein. Der Stein kommt aus der Umgebung mit Dutzenden Vulkanen, die erst vor 4000 Jahren erloschen sind. Doch den geplanten Weg auf den höchsten Vulkan der Gegend, den Puy de Dome mit der Ruine eines römischen Tempels, verwehrte das schlechte Wetter. Wenigstens ließ sich Vercingetorix betrachten, der als historischer Held der Gallier auf dem Sockel eines Denkmals viele der bayerischen Besucher an Asterix und Obelix erinnerte.
Einblicke in die vergangene Welt des französischen Hochadels gewährte der Besuch von Schloss Lapalisse, das im 12. Jahrhundert errichtet wurde. Eine romanische Kirche von seltener Eleganz war Ziel des Abstechers nach Chatel Montagne. In diesem Berg- und Künstlerdorf hat der Botschafter von Vichy in Bad Tölz auch sein französisches Domizil: Eric Bardet kam vor 17 Jahren zunächst nur für einen kurzen beruflichen Aufenthalt nach Deutschland. Zum Glück ist er im Isarwinkel geblieben. Er engagiert sich im Partnerschaftsverein, bereitet alle Reisen nach Frankreich vor und zeigte auch diesmal wieder den Tölzern mit viel Herz seine Heimat.
Mit einer Gegeneinladung zum Bayerisch-französischen Abend im neu renovierten Stadtsaal revanchierte sich die Delegation. Neben mitgebrachtem Reutberger Bier und zünftiger Brotzeit sorgten die Melkstattmusi und die Edelweißer für die richtige Stimmung. Ein Höhepunkt für die französischen Gäste, darunter die Dirigenten der Musikkapelle „Musicale de Vichy“ Bruno Besson und Veronique Gagnat, waren das Platteln und die überraschende Choreinlage, mit der alle Tölzerinnen und Tölzer aufwarteten.
Dass Partnerschaften nur von dauerhaften Kontakten leben, ist allen Beteiligten klar. „Die Liste der Aktivitäten ist lang“, zählt Englert auf. „Es gibt einen Austausch mit dem Gabriel von Seidl Gymnasium sowie der Krankenpflegeschule der Asklepios Stadtklinik, es gibt Begegnungen von Trachtenvereinen und Musikkapellen und Besuche von Jugendsportlern und Radfahrern.“ Im Kommen ist die Vermittlung von Praktikanten, Hospitanten und Volontären in allen möglichen Betrieben und Einrichtungen.
Die nächsten Schritte hat Englert mit Jacqueline Brunel, der Vorsitzenden des Partnerschaftskomitees von Vichy, sowie mit Alain Ugonet und Bruno Besson bereits besprochen. Im nächsten Jahr soll die Tölzer Stadtkapelle eingeladen werden, und 2009 wird Vichy ein Folklore-Festival mit Trachtengruppen aus den Partnerstädten ausrichten. Ein Wiedersehen in Bad Tölz an Leonhardi gehört für die französischen Freunde zu den Pflichtterminen. Und die erste Anfrage für diesen Sommer ist auch schon da: Ein Schüler aus Vichy (15 Jahre, spricht deutsch, Vorliebe Reiten) möchte in diesem Juli für drei Wochen nach Bad Tölz; im Gegenzug dürfte jemand nach Vichy fahren.
Allez!
Beste Laune bei allen offiziellen Vertretern der Städtepartnerschaft rief die Übergabe der Erinnerungsfotos vom 40jährigen Jubiläum hervor.
Noch immer prachtvoll: Das Opernhaus von Vichy, angereichert um die Tölzer Delegation.